Es gibt eine Reihe an Betreuungsmodellen: das Residenz-, Wechsel- und Nestmodell. Welches Umgangsmodell in der Praxis tatsächlich umgesetzt wird, hängt von vielen Faktoren ab. Dabei steht jedoch fest: Es gibt nicht DAS richtige Umgangsmodell. Vielmehr ist es die gemeinsame Aufgabe der Eltern, relevante Faktoren gegeneinander abzuwägen und darauf zu achten, was beim aktuellen Entwicklungsstand das Beste für das Kind ist.
Das Bürgerliche Gesetzbuch legt fest, dass jedes Kind das Recht auf Umgang mit beiden Eltern hat. Jeder Elternteil ist demnach auf Umgang verpflichtet, aber auch berechtigt. Mehr Informationen finden sich hier Umgangsrecht in Deutschland – anwalt.org.
In Deutschland ist derzeit das sogenannte Residenzmodell die Regel. Seit einigen Jahren wird in den Medien häufig vom Wechselmodell gesprochen. Wir möchten in diesem Artikel einen Überblick über die Betreuungsmodelle geben und gleichzeitig eine Entscheidungshilfe anbieten.
Das Residenzmodell
Obwohl das Residenzmodell etwas traditionell und altmodisch klingt, ist es das in der Praxis gängigste Modell. Die Vorteile des Residenzmodells liegen zunächst auf der Hand. Die Trennung der Eltern ist für ein Kind eine dramatische Verlusterfahrung. Das Residenzmodell bietet gerade in den Phasen der Trennung Geborgenheit und Sicherheit, vor allen jüngeren Kindern. Das Kind wird im Alltag kontinuierlich von nur einem der Elternteile betreut und es wächst meistens im gewohnten sozialen Umfeld auf: Kindergarten, Schule, der Spielplatz und die Spielkameraden, die Nachbarschaft sind vertraut und bleiben dem Kind erhalten. Der Abstimmungsbedarf unter den Eltern ist minimiert. Der Elternteil, bei dem das Kind lebt, hat die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens. Der wichtigste Nachteil dieses Modells besteht zweifellos darin, dass der getrenntlebende Elternteil nicht am Alltag des Kindes teilnimmt, sondern nur zu vereinbarten Umgangszeiten sein Kind besucht. In Deutschland ist dies über 90 % der Fälle der Vater. Im eigenen Umfeld werden diese Väter häufig als Singles wahrgenommen und erhalten keine oder wenig Wertschätzung ihrer Elternschaft. In Trennungsfamilien, in denen das Kind im Residenzmodell beim Vater lebt, fühlen sich die getrenntlebenden Mütter oft gesellschaftlich als Rabenmütter stigmatisiert.
Aber auch die sogenannten Alleinerziehenden, die den Hauptteil der Betreuung und Erziehung übernehmen, fühlen sich in diesem Modell oft alleingelassen, beruflich eingeschränkt und stark gefordert.
Das Wechselmodell
Das Wechselmodell – auch Pendel- oder Doppelresidenzmodell genannt– beschreibt die abwechselnde Betreuung beider Elternteile. Das Kind wechselt zwischen den Wohnungen der Eltern. Das Kind hat also zwei Zuhause. Erfolgt die Betreuung zu gleichen Teilen zwischen Mutter und Vater, spricht man von einem paritätischen Wechselmodell. Von einem asymmetrischen Wechselmodell ist dann die Rede, wenn die Hauptverantwortung der Betreuung weiterhin nur bei einem Elternteil liegt. Wir beschränken uns in diesem Artikel auf das paritätische Modell. Die Wechselfrequenz ist variabel und sollte vom Alter des Kindes abhängig gemacht werden. Zwar ist der Anteil der Familien, die in Deutschland ein Wechselmodell praktizieren, bislang noch relativ gering (ca. 5% aller Trennungsfamilien), aber es gibt Anzeichen dafür, dass die Anzahl der Eltern, die sich für dieses Betreuungsmodell entscheiden, kontinuierlich steigt.
Das Wechselmodell hat in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit erhalten: In 2017 hat der Bundesgerichtshof beschlossen, dass das Wechselmodell gerichtlich angeordnet werden kann, wenn es im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht und die Eltern zu keiner einvernehmlichen Einigung kommen. Im Beschluss wies der Gerichtshof explizit darauf hin, dass der Gesetzgeber das Residenzmodell nicht als gesetzliches Leitbild sieht, welches andere Betreuungsmodelle ausschließt.
Das paritätische Wechselmodell wertet die Rolle beider Eltern gleich. Väter sehen in diesem Modell eine Aufwertung ihrer Vaterschaft. Weitere Vorteile sind, dass die Eltern die Belastung von Arbeit und Kinderbetreuung unter sich aufteilen können: Die gleichwertige Bindung zu beiden Elternteilen bleibt für das Kind erhalten und es entstehen für das Kind seltener Loyalitätskonflikte. Beim Wechselmodell entfällt die Aufteilung zwischen der Alltagsmutter/Wochenendvater oder Alltagsvater/Wochenendmutter.
Der Begriff Pendelmodell gibt Aufschluss über mögliche Nachteile dieses Modells. Durch den ständigen Wechsel des Kindes von einem zum anderen Elternteil, liegt die logistische Anstrengung zur Realisierung dieses Modells beim Kind. Die Nähe zwischen den zwei elterlichen Wohnungen ist dabei von Bedeutung: Je kleiner die Distanz, desto praktikabler wird das Wechselmodell in der Realität. Durch die örtliche Nähe der elterlichen Haushalte ergeben sich für das Kind keine unzumutbar langen Wege. Aber auch für beide Eltern setzt das Modell eine sehr gute Kommunikation und Abstimmung voraus.
Das Nestmodell
Beim Nestmodell betreuen die Elternteile das Kind abwechselnd in der elterlichen Wohnung – also das „Nest“, in dem es aufgewachsen ist, während die Eltern jeweils eigene Wohnungen unterhalten. So ist es nicht das Kind, das ständig zwischen den Haushalten pendeln muss, sondern die Eltern. Es bildet somit eine Sonderform und läuft letztendlich auf das Wechselmodell hinaus. Aber hier pendeln die Eltern.
Welches Modell ist am kindgerechtesten?
Während es schon seit einigen Jahren internationale Studien zum Wohlbefinden von Kindern gibt, die im Wechselmodell leben, lagen für Deutschland bislang keine empirischen Ergebnisse vor. Die Universität Duisburg-Essen und die Universität Marburg haben kürzlich die Studie „Familienmodelle in Deutschland“ (FAMOD) durchgeführt. Es wurden 1.233 Familien befragt, die nach einer Trennung ein Residenz- oder ein Wechselmodell praktizieren. Der Befund: „Das Wechselmodell funktioniert mindestens genauso gut wie das bisher vorherrschende Residenzmodell“, stellt Prof. Anja Steinbach fest. „Es ist aber kein Patentrezept, das sich in jeder Trennungssituation als erste Wahl aufdrängt. Viel hängt vom Verhältnis der Eltern ab, insbesondere inwieweit es ihnen gelingt, ihre Konflikte von den Kindern fernzuhalten und sich einvernehmlich über die Betreuung zu verständigen.“
Jede Entscheidung für ein Umgangsmodell sollte zum Wohle des Kindes getroffen werden. Und Eltern sollten im Laufe eines Kindeslebens immer wieder bereit sein, das Modell, für das sie sich entschieden haben, an das Alter und die Bedürfnislage des Kindes anzupassen. Das kann auch bedeuten, dass Eltern zum Wohle des Kindes zurückstecken müssen. Kinder brauchen Geborgenheit, soziale Anerkennung und Entwicklungschancen, um sich wohlzufühlen. Diesen Dreiklang erleben Kinder nicht nur bei Papa und Mama, sondern auch bei Freunden und Spielkameraden, im Kindergarten, Schule und bei Oma und Opa.