Trennungen sind wie ein inneres Erdbeben. Nichts ist mehr, wie es war und als Eltern ringt man um die richtigen Worte für das Unsagbare. Nach einer Trennung auf Paarebene verändert sich oft auch die Art und Weise, wie Eltern mit- und übereinander sprechen. Ein respektvoller Umgang und eine achtsame Kommunikation ist aber gerade in Trennungsfamilien besonders wichtig. Denn Trennungskinder brauchen Vorbilder, an denen sie sich orientieren können. Nur so können sie die Trennungserfahrungen gut verarbeiten. In diesem Beitrag geben wir deshalb drei praktische Tipps zum Thema Kommunikation nach der Trennung und erklären, warum das Vorbild der Eltern hier so wichtig ist.
Eltern sind Vorbilder für ihre Kinder
Gut zu kommunizieren, ist eine der wichtigsten Fähigkeiten, die wir Kindern mitgeben können. Mit ihrer Spracherziehung sorgen Eltern nicht nur für eine gute Bindung zum Kind, sondern leisten auch wertvolle Beziehungsarbeit. Dieser Aspekt der Spracherziehung ist gerade in Trennungsfamilien relevant. Denn nicht selten werden die destruktiven Kommunikationsmuster auf Paarebene nach einer Trennung auf Elternebene fortgeführt: Gespräche beschränken sich auf endlose Diskussionen oder es findet gar kein Dialog zwischen den Eltern mehr statt. Kinder erleben die Kommunikation zwischen den Eltern dann als hochgradig dysfunktional.
Kommunikation nach der Trennung: Lernen am Modell
Das Lernen am Modell (auch Beobachtungslernen oder soziales Lernen) bezeichnet eine von dem kanadischen Psychologen Alfred Bandura entwickelte Theorie zum sozial-kognitiven Lernen. In verschiedenen Studien konnte Bandura zeigen, dass Kinder sich aufgrund der Beobachtung des Verhaltens anderer und der Reaktion in ihrer Umwelt neue Verhaltensweisen aneignen oder schon bestehende in Richtung des Modellverhaltens verändern. Bei kleineren Kindern sind das vor allem die Eltern.
Trennungskinder brauchen Vorbilder oder Modelle, an denen sie sich orientieren können, um die Trennungserfahrungen gut verarbeiten zu können. Als Mama oder Papa bist Du gefordert, hier ein sprachliches Vorbild für Dein Kind zu sein. Was auch immer im anderen Elternhaus für ein Umgangston herrscht – welche Kommunikationskultur das Kind an den Umgangstagen mit Dir erlebt, liegt allein in Deiner Verantwortung. Du kannst mit Deiner Gesprächsführung und Wortwahl maßgeblich dazu beitragen, das Drama zwischen Euch Eltern nicht weiter zu füttern und stattdessen Deinem Kind Sicherheit und Orientierung geben.
Mehr Tipps für die Kommunikation mit dem Ex-Partner.
Tipp 1: Sei achtsam und empathisch mit Deinem Kind.
Kinder sind auf die Empathie ihrer Bezugspersonen angewiesen, um ihren Bedürfnissen und denen zugrundeliegenden Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Achte deshalb darauf, dass Du die Gefühle Deines Kindes spiegelst. „Ich nehme war, dass Deine Stimme wütend klingt. / Ich sehe Deine Traurigkeit.“ Nur so lernen Kinder, ihre Gefühle wahrzunehmen, zu ertragen, zu unterscheiden und die Bedürfnisse entsprechend äußern.
Achte gegenüber Deinem Kind zudem auf eine ehrliche und wertungsfreie Kommunikation nach der Trennung. Kleine spitze Kommentare über den anderen Elternteil, einen neuen Partner oder eine neue Partnerin werden von Kindern genau registriert und können in Trennungsfamilien wie Gift wirken. Dein Kind hört auch, wenn du abwertend über den Ex-Partner oder die Ex-Partnerin redest. Vergiss nicht und wertschätze stattdessen, dass Deine frühere Partnerin oder dein früherer Partner die Mutter oder der Vater Deines Kindes ist und bleibt.
Unsere Vorschläge für eine wertungsfreie Kommunikation nach der Trennung findest Du hier.
Tipp 2: Begegne Deinem Kind auf Augenhöhe und stärke so seine Selbstwirksamkeit.
Vom ersten Tag kannst Du Deinem Kind als ernstzunehmenden Gesprächspartner begegnen. Das gilt auch für Neugeborene und Babys. Schon bevor Dein Kind die Wortsprache erlernt, kannst Du mit Deinem Baby im Dialog sein. Denn Spracherziehung beginnt schon vorher. Schließlich profitieren auch Kinder, die aus motorischen Gründen das Sprechen nicht lernen können, von einer achtsamen Kommunikation. Mit Hilfe der sogenannten „Zwergensprache“ entdeckt Dein Kind im Umgang mit Dir auf diese Weise schon früh seine Selbstwirksamkeit und das Wechselspiel eines Dialogs. Was für eine wertvolle Erfahrung für Euch beide, die auch die Bindung zwischen Dir und Deinem Kind auf einmalige Weise stärken wird.
Babyzeichensprache
Die „Zwergensprache“ (auch Babyzeichensprache) beinhaltet Gesten für die elementarsten Tätigkeiten, die selbst Babys schon leicht nachahmen können. Mit Hilfe dieser Gesten können Babys schon lange vor den ersten Worten mit den Bezugspersonen auf Augenhöhe kommunizieren, indem sie lernen die eigenen Bedürfnisse mitzuteilen: „Ich möchte trinken.“ / „Bitte lies mir vor.“ / „Ich bin erschrocken. Tröste mich.“
Tipp 3: Hilf Deinem Kind, sein eigener Wortführer zu werden.
Der Ton macht zwar die Musik. Aber es geht besser, wenn jeder sein eigenes Instrument spielen kann. Selbst wenn die Unterschiedlichkeit beider Elternhäuser dadurch noch größer erscheint. Trennungskinder erlernen ohnehin eine Muttersprache und eine Vatersprache, bis sie ihr eigener Wortführer geworden sind. Der dänische Familientherapeut Jesper Juul betrachtet das als eine wertvolle Lernaufgabe, von deren Lösung Trennungskinder in ihrer Entwicklung sogar profitieren können: „Ihre Kinder haben Glück, dass sie zwei unterschiedliche Stile vorgelebt bekommen – und zwar jeweils von Erwachsenen, die sie lieben und denen sie vertrauen. Daran werden sie als Menschen wachsen, und es ist die beste Basis, um eigene Werte zu entwickeln. Wir nennen das experimentelles Lernen, und das ist viel wertvoller, als nur einen Lehrer zu kopieren.“
Unterschiedlichkeiten zwischen Eltern – getrennterziehend oder nicht – dürfen also sein und Kinder können mit Deiner Hilfe lernen, diese auszuhalten und einen guten Umgang mit ihnen zu finden. Diese Fähigkeit wird sie ein Leben lang stärken. Und als Mama oder Papa kannst Du mit gutem Beispiel vorangehen.